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    14 Fragen an einen Zukunftsforscher: Wie wird die Corona-Krise unsere Welt verändern?

    27. März 2020
    14 Fragen an einen Zukunftsforscher: Wie wird die Corona-Krise unsere Welt verändern?
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    Tristan Horx könnte man als eine neue Generation von Futuristen bezeichnen, wenn er nicht persönlich das Ende der klassischen Generationenmodelle fordern würde. Der Sprecher und Autor am Zukunftsinstitut befasst sich mit den Themen des gesellschaftlichen Wandels und erforscht, was der Generation X, Y und Z folgen wird.

    Wir haben Tristan Horx 14 Fragen zur aktuellen Corona-Krise und möglichen Veränderungen auf unser Leben gestellt und 14 hoffnungsvolle Antworten erhalten, die zum denken anregen sollten.

    1. Wird uns die Corona-Krise und die damit verbundene „Zwangsisolation“ nachhaltig verändern oder wird sich der Konsum und die Überdigitalisierung nach der Krise wieder in unseren Alltag drängen? Falls ja, in welchen Lebensbereichen wird sich eine Veränderung primär etablieren können?

    Wir sind nun dazu gezwungen, fast unseren gesamten sozialen Austausch über digitale Medien zu führen. Das hilft uns dabei neu zu reflektieren, wie wir echte, innige Beziehungen durch digitale Medien führen können. Es wäre doch schön, wenn Social Media wieder wirklich sozial wird. Wenn wir auch mal abheben wenn wir angerufen werden. Wenn wir Menschen nicht mehr zappeln lassen, sondern auch über digitale Medien in einen echten Austausch mit ihnen gehen.

    2. Die Corona-Krise verändert den Globus auf eine Weise, wie es zuvor nur die Weltkriege getan haben. Folgt anschließend ein neues, aber anderes Wirtschaftswunder?

    Der Gedanke der Postwachstumsökonomie schlummerte bereits vor der Coronakrise unter der Oberfläche. Durch den großen System-Reset stellen wir nochmal in Frage, ob die überhitzte globale Wirtschaft eine resiliente, nachhaltige Wirtschaftsform ist. Vermutlich wird die Börse nie wieder solche monströsen Höhen erreichen, dafür aber nachhaltiger sein und nicht in jeder Krise knapp an den kompletten wirtschaftlichen Untergang schlittern. Auch unser Wirtschaftssystem ist anpassbar, lernfähig und im Ende auch resilient.

    3. Wie wird sich die Corona-Krise auf den „Tourismus der Zukunft“ auswirken? Werden wir nach der Corona-Krise auch in diesem Sektor einen Wandel erleben und anders vielleicht sogar bewusster reisen?

    Bereits vor der Coronakrise konnten wir eine Trendwende hin zum „Slow-Tourism“ verzeichnen. Menschen waren zunehmend vom Über/Massentourismus überfordert. Vor allem durch Social Media entstand ein Druck, an jedem Ort der Welt schon mal gewesen zu sein, um sich dort zu inszenieren. Das hatten wir langsam satt. Entschleunigte Reisen, bei denen auch wert auf die Kultur und Natur vor Ort gelegt wird werden zunehmen. Wir nennen das auch Resonanz-Tourismus, weil man eben mit dem Ort in den man reisst, resoniert.

    4. Hat die Formel „Geld verdient Geld“ noch eine Zukunft?

    Ohne marxistisch klingen zu wollen: Über die letzten Jahrzehnte hat sich das Verhältnis von Kapital und Arbeit zu sehr verschoben. Die Konsequenz war die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich. Hier wird es hoffentlich zu einer Bewegung in Richtung von etwas mehr Ausgleich geben. Vor allem weil ja humanes Kapital durch die Krise verstärkt wird, kann man hier optimistischer denn je sein.

    5. Die Definition von „Luxus“ hat bereits vor der Krise einen zunehmenden Wandel erlebt – insbesondere für die Generation Y. Digital Detox, Nachhaltigkeit, Achtsamkeit wurden spürbar immer wichtiger. Könnte die Corona-Krise zu einer Beschleunigung dieser Entwicklung führen?

    Ja, die Coronakrise führt zu einer Beschleunigung der Entschleunigung. Was zuerst paradox klingt, macht aber durchaus Sinn. Trends wie Achtsamkeit, Digital Detox, Minimalismus usw. gewannen vor der Krise bereits an Momentum. Nur war es in der beschleunigten Welt sehr schwer eine Pause einzulegen, weil dann gefühlt alle an einem vorbeigezogen werden. Da wir durch den flächendeckenden Shutdown allerdings alle zur Entschleunigung gezwungen werden, werden diese zwangsweise Trends beschleunigt.

    Luxus wird weniger durch Protz definiert und mehr durch Werte wie Sinn und Nachhaltigkeit. In der Krise nutzte uns der Gucci Gürtel schließlich nicht mehr als ein gewöhnlicher.

    6. Welchen Veränderungen wird die Arbeitswelt durch die Coronakrise erleben?

    Das Stigma des Home-Offices wird mal erledigt sein. In der Bürokultur wurde Homeoffice oft als glorifizierte Freizeit gewertet. “Der Kollege hat ein Glück, ist ja im Homeoffice”war an dieser Stelle das Mindset. Das wandelt sich jetzt, es wird zur Selbstverständlichkeit. Produktivitätsstudien haben bereits vor der Krise gezeigt, dass sich das Home-Office für Aufgaben die mehr Konzentration und weniger Ablenkungen verlangen, als wesentlich produktiver erweist. Jetzt ist es eine Zwangsrealität geworden und wird sich als Kulturform durchsetzen. Das soll allerdings nicht heissen, dass alles im Homeoffice gemacht werden wird. Aber die Flexibilisierung des Arbeitsplatzes je nach Aufgabe wird sich durchsetzen. Für diesen Wanden benötigt es vor allem eine Sache. Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Nehmer.

    7. Werden wir den Dienst am Menschen künftig besser beziehungsweise angemessener honorieren?

    Hier liegt die wahre Hoffnung nach der Krise. Wir sollten als Gesellschaft neu verhandeln, wer wie entlohnt wird. Jobs die man vor der Krise ja totgesagt hatte, wie Verkäufer und LKW Fahrer halten unsere Welt gerade zusammen. Ein treffende Aussage einer überarbeiteten Gesundheitsarbeiterin dazu: “Wir bezahlen Medizinern und Forschern 2000€ im Monat, Fussballspielern 10 Millionen. Fragt doch Ronaldo nach einer Lösung zu Corona.”

    Eine Neuverhandlung der Berufe, die Empathie und zwischenmenschliches verlangen steht schon lange aus. Das wird von der Krise beschleunigt.

    8. Die Krise bietet auch die Chance der Informationsbeschaffung sowie der Aus- und Weiterbildung. Bekommen Bildung und Wissen insgesamt einen neuen Stellenwert?

    Experten stehen jetzt endlich im Mittelpunkt der Diskussion – und Politiker folgen ihnen. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Wenn wir zurück an den Dialog über die Klimakrise denken, merken wir rückblickend, dass es damals andersrum war. Von Experten hat man wenig gehört, jeder hatte eine Meinung, keiner eine Ahnung. Das ist ein Mindset, dass wir auch nach der Krise halten müssen. Es war gut zu sehen, dass wenn es wirklich ernst und vor allem akut wird, wir uns großteils auf die echten Experten zurückbesinnen.

    9. Macht uns die Krise kreativ?

    Jede Krise führt zu neuer Kreativität. Die Menschheit ist eben anpassungsfähig und eigentlich vor allem in Zeiten der Krise, nach einer kurzen schockstarre, beeindruckend Produktiv.

    10. Werden Humor, Empathie und Mitmenschlichkeit dauerhaft einen größeren Stellenwert erhalten?

    Ja, vor allem weil es uns rückblickend vor der Krise so gefehlt hatte.

    11. Welche Faktoren werden nach Corona den sozialen Status eines Menschen bestimmen?

    Es wäre naiv zu behaupten, die üblichen Verdächtigen würden verschwinden. Was allerdings passieren wird, ist das eine Verschiebung stattfinden wird. Anknüpfend an das Momentum der Fridays for Future Bewegung haben wir ja bereits gesellschaftlich hinterfragt, was wir wirklich brauchen um glücklich zu sein? Vor allem die jüngeren Generationen verschieben den Fokus weg vom Besitz, vom Vermögen, hin zum Sinn und der Suche nach einem glücklichen Leben im Einklang mit der Umwelt und Gesellschaft. Somit wird die Krise hier einiges beschleunigen, gleichzeitig wird auch der demografische Wandel seinen Lauf nehmen.

    12. Hat unsere Welt und Gesellschaft diese „Zwangspause“ gebraucht? War sie eventuell sogar längst überfällig?

    Absolut. Insofern ist die Krise auch ein versteckter Segen, weil sie uns alle fast Simultan zur Pause zwingt. We’re all in this together. (siehe auch Frage 5)

    13. Wird sich unser Digitalkonsum und die Art wie wir Plattformen wie z.B Instagram benutzen nach dieser Krise verändern?

    Ich glaube, gerade reflektieren wir darüber, was der eigentlich Sinn, die Utility dieser Plattformen ist. Auf Instagram kann man sich durchaus vorstellen, dass die ewige Produktwerbung und die Selbstinszenierungen abnehmen werden. Wir suchen wieder nach authentischen Erfahrungen. Auf Facebook werden wird sich auch die Fakenews und Shitposting Kultur zum besseren wandeln.

    14. Wir haben Sommer 2021: Wie wird der Begriff „Gutes Leben“ heute definiert?

    Ein bisschen weniger Status und Vermögen, dafür lieber gute Nachbarn, gesunde Beziehungen und vielleicht einen netten Garten.

    Vielen Dank an Tristan Horx für diesen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

    Weitere Informationen findest du auf horx.com und zukunftsinstitut.de oder auch auf @tristanhorx

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